Systembedingter Mitarbeitermangel sowie Fachkräftemangel besteht in bestimmten Branchen deshalb, weil bereits die Einstiegshürden in den Beruf so hoch sind, dass nicht genügend Menschen ausgebildet werden. Oder aber, das System ist derart schlecht aufgebaut, dass Fachkräfte den Beruf wechseln. Wir schauen uns dazu ein paar Beispiele an.
Systembedingter Mitarbeitermangel und: Einstiegshürden
Die Einstiegshürde für angehende Zahnmediziner ist unfassbar hoch. Der Studiengang „Zahnmedizin“ wurde zum Wintersemester 2021/22 von 29 Hochschulen angeboten. Die Gesamtkapazität betrug 1.499 Studienplätze. Ein NC (Numerus Clausus) von mindestens 1,2 gilt als Voraussetzung für die Zulassung. Auch sind die ersten Semester des Studiums derart anspruchsvoll und kräftezehrend, dass viele angehende Zahnärzte abbrechen. Niemand braucht sich darüber zu wundern, dass am Ende ein Engpass im Land herrscht. Es gibt sicherlich einige talentierte Menschen da draußen, welche die utopischen Zulassungsvoraussetzungen des (Zahn-)Medizinstudiums nicht erfüllen, aber trotzdem brauchbare Ärzte abgeben würden. Diesen nicht einmal eine Chance zu geben, trägt sicherlich nicht dazu bei, das Problem zu lösen.
Gleichzeitig, und das ist sicherlich nicht zu ignorieren, kann und soll nur ein Teil der Bewerber an den Hochschulen ausgebildet werden. Ob der NC hierfür aber das richtige Auswahlkriterium darstellt, sei dahingestellt. Vielleicht könnte man einem Mangel an Zahnärzten entgegensteuern, indem man an den Universitäten nicht ausschließlich die Abiturnote zu Rate zieht. Man könnte z. B. die notwendigen Fähigkeiten zum Erlernen des Berufs als Kriterien gelten lassen. Es geht an dieser Stelle nicht um eine grundlegende Systemkritik, sondern darum, anzuregen, die Einstiegshürden besser auf den jeweiligen Beruf abzustimmen und weniger generalisiert anzuwenden.
Systemschwäche als Grund für den Mitarbeitermangel
Ähnlich verhält es sich mit Lehrern. In vielen Bundesländern besteht ein unnötiger Engpass im Bereich der Lehrerbesetzung, obwohl es durchaus ausreichend fachkundige Personen gibt, die über entsprechende Kompetenzen beispielsweise in Germanistik oder Anglistik verfügen. Deutsch- oder Englischlehrer dürfen sie trotzdem nicht ohne Weiteres werden. Von der Ausbildung her unterscheidet sich ihre Studienleistung allerdings nur durch einzelne Module, nämlich das der Pädagogik und Fachdidaktik, welche aus einer überschaubaren Anzahl an Veranstaltungen bestehen. Diese Veranstaltungen könnte jeder Interessierte in wenigen Monaten durchlaufen. Die Bildungssysteme der Länder sehen das in dieser Form allerdings nicht vor. Sie offerieren zwar die Option, dass Akademiker als Seiteneinsteiger Crash-Kurse durchlaufen, um Grundlagen zu erlernen, die für die Arbeit an einer Schule notwendig sind, allerdings sind diese mit teilweise absurden Hürden verbunden:
Der bürokratische Aufwand, der diesen Menschen aufgebürdet wird, ist unsäglich kompliziert gelöst. Beispiel: Du hast Germanistik sowie DaF/DaZ (Deutsch als Fremd- bzw. Zweitsprache) studiert. Das Landesamt für Schule und Bildung erkennt dir Deutsch als Fach an. Für den Einsatz als „vollwertige“ Lehrkraft, sprich als „Zwei-Fach-Lehrer“, benötigst du jedoch ein zweites Fach. DaF/DaZ galt zwar an der Universität als eigenständiges Fach, wird dir aber vom Landesamt für Schule und Bildung nicht als zweites Fach anerkannt, da es dem Fach Germanistik zu ähnlich sei. Hättest du Germanistik und Physik studiert, so wären dir beide Fächer anerkannt worden.
Die Folge des Unsinns
Du giltst somit als „Ein-Fach-Lehrer“, bekommst weniger Gehalt, wirst nicht verbeamtet usw. Natürlich könntest du ergänzend ein Fach studieren. Zudem: Das zuständige Landesamt für Schule und Bildung erkennt nur Abschlüsse des eigenen Bundeslandes an. Im Prinzip kompletter Unsinn; aber wer wird denn kritisch sein!?
Kurzum: Damit du als kompetente Fachkraft lehren darfst, musst du mehr machen als jemand, der direkt Lehramt studiert hat – bist im System allerdings weniger wert. Das nicht zu akzeptieren, ist ein logischer Schritt. Ein systembedingter Mitarbeitermangel ist die Folge.
Dieser Fakt spricht sich natürlich rum und motiviert nicht unbedingt viele Menschen, den Seiteneinstieg ins Lehramt zu wagen. Hinzu kommen politische Entscheidungen wie die Abschaffung der generellen Option auf Teilzeitarbeit in Sachsen , die Menge an Stunden, die neben der Unterrichtszeit für Vor- und Nachbereitung absolviert werden muss, sowie außerschulische Aktivitäten für die Schule.
Und was tun wir jetzt?
Diese Umstände zu entschärfen, wären mit einigen Stellschrauben schnell zu regeln. Doch es scheint, als behindern politische Kräfte dieses Vorgehen. Die Gründe sind spekulativ, aber das Ergebnis ist deutlich sichtbar.
Warum braucht jemand, der in der IT arbeiten möchte, eine Ausbildung zum Systeminformatiker? Reicht es nicht aus, wenn der Mitarbeiter sein Handwerk versteht und die anfallenden Tätigkeiten ausführen kann? Statt komplexe Hürden aufzubauen, die einen sogenannten Mitarbeitermangel provozieren, sollte man klug und vernünftig handeln und fachkompetente Personen ihre Tätigkeit ausüben lassen, anstatt aufgrund eines Zertifikats einen Mangel zu produzieren, den es im Prinzip gar nicht geben müsste.
Wir stellen fest: Systembedingter Mitarbeitermangel ist einerseits vollkommen unnötig; andererseits ein blinder Fleck, wie wir an den Lehrern sehen. Diese sind immerhin da, wollen aber nicht mehr.
https://www.gesundheit-studieren.com/infos/bewerbung/nc-medizin/
https://hochschulstart.de/fileadmin/media/dosv/nc/ws21-22/nc-zahnmedizin_21-22.pdf
https://www.spiegel.de/panorama/bildung/bildung-sachsen-will-teilzeit-bei-lehrerinnen-und-lehrern-restriktiver-handhaben-a-bf291684-25ef-471b-afcb-72e55fec8e5c